Montag, 25. Juni 2007

Konferenzbericht Hochschule@zukunft (Leipzig, Oktober 2006)

Als Stipendiat der Heinrich-Böll-Stiftung habe ich die von dieser Stiftung organisierten Konferenz am 30.10.06 in Leipzig besucht. Dazu habe ich diesen Bericht verfasst.

Am Montag, dem 30.Oktober 2006 fand in Leipzig die von der Heinrich-Böll-Stiftung organisierte Konferenz hochschule@zukunft. Die Hochschulkonferenz statt. Auf diesem Treffen von HochschulexpertInnen, -forscherInnn und –politikerInnen wurden die ersten Ergebnisse einer Delphistudie vorgestellt, die von Prof. Dr. Gerhard de Haan und Jan Gregersen (FU Berlin, Institut Futur) erstellt wurde und die Erwartungen so wie die Wünsche von an der Hochschulpolitik Beteiligten statistisch untersuchte. Aufgrund der vorhandenen Zeitkapazitäten musste sich die Konferenz auf die ersten fünf Themenbereiche, die diese Studie umfasst, konzentrieren. Diese waren: Faktoren der Wissenschaftsentwicklung, Governance, Europäische Hochschullandschaft, Lebenswelt Hochschule und Neue Zugänge zu den oberen Bildungseinrichtungen. Nach der Präsentation der Ergebnisse der Studie und einem Vortrag von Prof. Dr. Michael Daxner beschäftigten sich die Teilnehmenden in kleineren Workshops mit diesen Themenbereichen, um sich abschließend im Plenum zusammenzufinden und an einem Abschlusspanel über „Zukunfstkonzepte für die europäische Hochschule 2030“ teilzunehmen.

Schon bei der Begrüßung von Ralf Fücks, die zwischen Pragmatismus und Idealismus abzuwägen versuchte und dadurch manchmal kritische Akzente unterbelichtete, und vor allem bei der Begrüßung des Rektors der Leipziger Universität, Prof. Dr. Franz Häuser, konnten wir in das Thema einsteigen: In einem ansonsten für Rektoren erwartbaren Diskurs hat er die Schwierigkeiten der ostdeutschen Universitäten betont, sich unter gleichen Ausgangsbedingungen wie die westdeutschen Universitäten an dem von der Exzellenzinitiative ausgelösten Wettbewerb zu beteiligen. Somit sind wir also schon in einer bereichernden, zukunftsgerichteten (und zwar nicht zum Bolognajahr 2010 oder zum Jahr des doppelten Jahrganges 2012, sondern langfristig zum Jahr 2030 gerichteten) Diskussion eingestiegen, in der manchmal lediglich oft gehörte Ansichten wiederholt wurden, aber manchmal interessante und neue Perspektiven eingeführt wurden – so vor allem im tiefen und reizenden Vortrag Michael Daxners.

Auch im Workshop, an dem ich teilgenommen habe, („Wege in die europäische Hochschullandschaft“) wurden interessante Ansichten vertreten. Die GesprächspartnerInnen Prof.Dr. Gesine Schwan (Viadrina-Universität, Frankfurt/O.), Prof. Dr. Barbara Kehm (Internationales Zentrum für Hochschulforschung, Kassel) und Prof. Dr. Johannes Wildt (Dortmund) haben ihre Erfahrungen im Bereich der Einführung von Bachelor- und Masterstudiengängen, in der Lebenswelt einer Hochschule an der deutsch-polnischen Grenze, wie die Europa-Universität Viadrina, und in einem Campus, der durch den Zuzug ausländischer Studierenden eine „Internationalisierung ‚at home’“ erlebt hatte, geschildert. Dabei wurde deutlich, dass nicht alle Arten von Mobilität gleich sind und dass es zu pauschal ist, Internationalisierung im Allgemeinen gutzuheißen, da es viele Formen einer Internationalisierung gibt: Es ist nicht das Gleiche, für ein Semester ins Ausland zu fahren, als einen gesamten Masterstudiengang außerhalb des eigenen Landes zu absolvieren – diese unterschiedliche Mobilitätsformen haben nicht die gleichen Konsequenzen für den sich internationalisierenden Campus.

Trotz der Reichhaltigkeit der Diskussionen, ließen sich allerdings auch im Laufe dieser Konferenz die strukturellen Mängel der hochschulpolitischen Landschaft in Deutschland erkennen: So war eines der wichtigsten, vorgetragenen Ergebnisse der Delphistudie das starke Auseinanderklaffen von Erwartungen und Wünschen an einige Bereiche der zukünftigen Entwicklungen der Hochschule – z.B. der große Unterschied zwischen dem starken Wunsch nach Zentralisierung der deutschen Hochschulpolitik auf der einen Seite und der ebenso starken Erwartung der Beibehaltung hochschulpolitischer Kompetenzen auf Länderebene auf der anderen. Dies hätte zu einer wichtigen Diskussion über die strukturellen Mängel führen können, die dieses Auseinanderklaffen verursachen und die Ohnmacht einiger an der Hochschulpolitik beteiligten Akteure zeigen; dies ist aber in eher geringerem Maße passiert. So hat man die jeweiligen Themenbereiche, mit der sich de Studie beschäftigt hatte, besprochen – eine engagiertere Besprechung dieses weiteren Ergebnisses der Studie, nämlich die Ohnmacht einiger Akteure, ihre Wünsche in den Entscheidungsfindungsprozess einzubringen und zur Realität werden zu lassen, wenn sie mehrheitsfähig sind, wäre aber sicherlich auch gewinnbringend gewesen und hätte zur besseren Einschätzung der eigenen Handlungsräume führen können. Das Ausbleiben dieser Auseinandersetzung, nicht nur in dieser Konferenz, sondern auch in der allgemeinen hochschulpolitischen Diskussion, führt dazu, dass die am nächsten zur Hochschule stehenden Akteuren – Hochschulleitungen, ProfessorInnen, usw. – eher eine passive Rolle einnehmen, aus der sie die Entscheidungen der Politik mehr oder weniger kritisch diskutieren und implementieren, nicht aber mitgestalten: Man hinkt ständig hinter den PolitikerInnen hinterher. Diese ohnmächtige Position, die sich vor vollendeten Tatsachen stellt, beschränkt auch die Möglichkeit der kritischen Mitgestaltung. So zeigten zum Beispiel viele ihre Unzufriedenheit mit einer Exzellenzinitiative, die zu einem ruinösen Wettbewerb zwischen den deutschen Hochschulen führen kann; alle sind aber gleichzeitig an diesem Prozess beteiligt, weil dessen Kraft des Faktischen nicht übersehbar ist. Dieser Mangel an kritischen und gestaltenden Positionen – der gelegentlich durch einige sehr kritische ReferentInnen aufgebrochen wurde, wie z.B. Prof. Dr. Gesine Schwan, die auf einer sehr reflektierten Weise ihre schwerwiegende Kritik an der Exzellenzinitiative äußerte – ließ also den Satz Heinrich Bölls vermissen, der zum Logo der Stiftung gemacht worden ist: „Einmischung ist die einzige Möglichkeit, realistisch zu bleiben“. Eigentlich zeigte die Delphistudie, dass es zu wenig Einmischung der Hochschulen in der Formulierung der Rahmenbedingungen der Hochschulpolitik gibt.

Auch die Einbeziehung einer Akteursgruppe im Rahmen der Studie und der Konferenz fehlte, nämlich diejenige des Hauptzieles der Hochschulpolitik: Der Studierenden. Lediglich 1% der im Rahmen der Studie Befragten kam aus dem Kreis der Studierenden. Die Studie reflektiert dadurch vielleicht das geringe aber tatsächliche Gewicht der Studierenden in den Entscheidungsfindungsprozessen der Hochschulpolitik und ist dadurch angemessen. Diese geringe Präsenz in der Konferenz weiterzuführen, in der fast alle ReferentInnen ProfessorInnen waren, neben einigen WirtschaftsvertreterInnen und PolitikerInnen, ist aber nicht ein Zeichen der realistischen Abbildung der Wirklichkeit, sondern deren affirmativen Weiterführung.

Diese Punkte weisen auf andere mögliche Ebenen hin, die wichtig sind und in der Konferenz nicht angesprochen wurden. Der Hinweis auf diesen Ebenen mindert aber nicht den hohen Wert der in der Konferenz geführten Diskussionen, der schon geschildert worden ist. Auch sehr bereichernd war die Gelegenheit, die die Konferenz angeboten hat, um während den Pausen Gespräche zu führen und andere Perspektiven näher kennen zu lernen – so konnte ich mich z.B. über den im nächsten Jahr stattfindenden Zukunfskongress im Rahmen des 550. Jubiläums der Universität Freiburg austauschen. Alles in allem eine bereichernde Erfahrung also, die aber wichtige Ebenen unberücksichtigt ließ. Ein Mitglied des Publikums zitierte im Rahmen einer Diskussion ein Buch der 1970er Jahre zur Hochschulpolitik, das sich mit Problemen auseinandersetzte, die unseren eigenen sehr ähnelten: Viel wurde also in der Zwischenzeit in diesen Bereichen nicht gelöst. Ob im Jahr 2030 eine solche Konferenz wieder dieselben Probleme aufgreifen werden muss, blieb offen.

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