Montag, 25. Juni 2007

Gedanken zu Bologna: Internationalisierung der Hochschule und NachwuchswissenschaftlerInnen

Als Stipendiat der Heinrich-Böll-Stiftung hatte ich im November des vergangenen Jahres die Gelegenhait, an einer Podiumsdiskussion über die Internationalisierung der Hochschulen und die Förderung von NachwuchswissenschaftlerInnen in der Fachtagung des Studienwerkes dieser Stiftung in Berlin teilzunehmen. Vor dieser Pdoiumsdiskussion habe ich einige meiner Gedankengänge auf dem Papier festgestellt. Hier sind sie.

Hiermit möchte ich meine Überlegungen zur Frage schildern, mit der sich die Podiumsdiskussion beschäftigen wird: „Was brauchen unsere NachwuchswissenschaftlerInnen, um international agieren zu können und was bieten dafür die Hochschulreformen in Deutschland?“. Allgemeiner nehme ich auch Bezug auf die Themenstellung der Fachtagung: Internationalisierung der Hochschule und Umsetzung des Bologna-Prozesses. Mit dieser Skizze meiner Positionen und Thesen hoffe ich, die Arbeit der Moderation erleichtern zu können.

A) Einige Vorüberlegungen zur Mobilität: Was macht „international agieren“ sinnvoll?

(1) Nun muss man, wenn man die Frage nach der internationalen Aktion der Studierenden und NachwuchswissenschftlerInnen stellt, sich auch fragen, warum bzw. in welcher Weise eine solche Internationalität sinnvoll ist. Ansonsten läuft man Gefahr, im Rahmen der Auslandsaufenthaltsmode und der Internationalisierungswelle unkritisch zu bleiben und lediglich die Redeweise der Stellenausschreibungen in der Wirtschaft („wir erwarten internationale Erfahrung“, „Mehrsprachigkeit ist Vorbedingung für eine Bewerbung“, „Vorausgesetzt wird die Arbeitsfähigkeit in einem interkulturellen Team“, usw…) zu wiederholen. Ich nehme also an, dass die Einführung eines internationalen Horizontes im Werdegang der Studierenden und der NachwuchswissenschaftlerInnen das Mittel ist. Was ist der Zweck?

Einen guten Weg, um diese Frage klären zu können, stellt die Unterscheidung zwischen zwei unterschiedlichen Typen von Mobilität dar, die zwei unterschiedliche Formen der Internationalität für die Studierenden und NachwuchswissenschaftlerInnen darstellen.

(2.1) Erstens gibt es die Möglichkeit, im Rahmen einiger Austauschprogramme (Erasmus im Rahmen der Sokratesprogramme, Austauschabkommen zwischen Universitäten, einjährige DAAD-Stipendien, usw.…) kurze Studien- bzw. Forschungaufenthalte von einem halben bis einem ganzen Jahr im Ausland zu unternehmen. Auf der Ebene der Studienprogramme für Postgraduierte können diese Programme sehr nützlich sein, um Kontakte zu knüpfen, Institute im Ausland kennen zu lernen, usw. Auf der Ebene der nichtgraduierten, regulären Studiengänge führt dies allerdings in der Regel eher zu einer Art von „Studientourismus“, dessen Ergebnis die Herausbildung einer in sich geschlossenen, gegenüber der einheimischen universitären Lebenswelt eher uninteressierten Gruppe ausländischer Studierenden in den jeweiligen Universitäten führt. Dies erachte ich für eher wenig sinnvoll, und in diesem Fall ist die Internationalisierung lediglich mit zusätzlichem Aufwand, nicht aber mit einer hohen Fruchtbarkeit verbunden.

(2.2) Eine zweite Form der Mobilität, die vor allem im Rahmen der regulären Studiengänge meines Erachtens nach viel sinnvoller ist, sind die Auslandsaufenthalte mit dem Ziel, in der ausländischen Hochschule einen Abschluss zu erlangen. In diesem zweiten Fall reisen die Studierende nicht, um im Laufe eines halben oder eines ganzen Jahres einige Studienleistungen zu sammeln, die dann in der Heimathochschule – übrigens oft mit viel Mühe – angerechnet werden können, sondern um als reguläre Studierende einen Abschluss zu erstreben. Die Erfahrung zeigt, dass dies dazu führt, dass die Grenzen zwischen „einheimischen“ und „ausländischen“ Studierenden verwischt werden. Die ausländischen KommilitonInnen sind nicht Exoten, sondern normale KommilitonInnen mit sehr ähnlichen Problemen. Erst dadurch wird ein ernsthaftes Eintauchen in die besuchte Universität und in deren Lerninhalte ermöglicht und darüber hinaus eine gute Integration im Rahmen der Lebenswelt der Hochschule ermöglicht.

B) Was bieten die Hochschulreformen in Deutschland und Europa, um diese Mobilität zu ermöglichen? Oder: Die Stärken des Bologna-Prozesses

(3) Nun kann man sich mit dieser Differenzierung als Hintergrund fragen, wie sich die Universitäten aufrüsten, um eine solche Mobilität zweiter Art – und dadurch eine sinnvolle Internationalisierung – zu ermöglichen. In diesem Kontext auf Deutschland beschränkt zu bleiben, erscheint mir übrigens wenig sinnvoll, da die Prozesse, die zu einer Internationalisierung der Hochschulen führen sollen, auf europäischer Ebene stattfinden. Betrachtet man diese europäischen Prozesse, kann man „zwei Generationen“ von Initiativen beobachten, die zu einer Europäisierung (nicht verwechselbar mit einer Internationalisierung!) führen sollen: Die erste bestand aus den Sokratesprogrammen und basierte auf dem ersten Mobilitätskonzept: „Studientourismus“ sollte Europa zusammenschweißen und dadurch die Entstehung einer erhofften europäischen Bürgerschaft für die Union ermöglichen.

(4) Die zweite Generation wurde in Bologna geschaffen (mit einigen Vorläufern), streckt sich über die EU, über fast den ganzen Kontinent hinaus und hat sich das Ziel eines einheitlichen europäischen Hochschulraumes für das Jahr 2010 gesetzt. Wird sie im Hinblick auf die Frage geprüft, ob sie dieses Ziel eines einheitlichen Hochschulraumes einhält, wird die Frage sehr kritisch ausfallen müssen. Fragt man aber nach den neuen Formen der Mobilität, die dieser Prozess ermöglicht, ist die Antwort viel erfreulicher, vor allem im Vergleich zur ersten Generation von europäischen Mobilitätsprogrammen: Mit der Einführung gestufter Studiengänge als zentrale Maßnahme neben anderen (ECTS, Diploma Supplements, usw.) wird sicherlich kein gemeinsamer, übersichtlicher Hochschulraum entstehen (im Gegenteil scheint das Angebot von Studiengängen nach der Stufung unübersichtlicher geworden zu sein), die Möglichkeiten der Mobilität zweiter Art werden aber gesteigert. Die gestuften Studiengänge sind nicht nur im Hinblick auf ein veränderte Nachfrage nach Bildung in einer Wissensgesellschaft, wo Weiterbildung immer wichtiger wird, wo ein fünfjähriges Studium ohne Zwischenabschlüsse als zu lang erscheinen und wo der Bildungsweg flexibler werden muss, ein Fortschritt, sondern auch im Hinblick auf einer Mobilität, deren Ziele eine ernsthafte Auseinandersetzung mit der fremden Wissenschaft und eine tiefreichende Integration in die Lebenswelt der ausländischen Hochschule sind. Dies ist so, weil die Verkürzung von Studiengängen durch deren Stufung die Barrieren vor der Entscheidung, das eigene Land zu verlassen und sich auf Fremdes einzulassen, niedriger erscheinen lassen.

C) Die dunkle Seiten der Internationalisierung: Die Gefahr der Vereinheitlichung und die Voraussetzungen des Bologna-Erfoges

(5) Die Tatsache, dass der Bologna-Prozess die Realisierungschancen der Mobilität zweiter Art steigert, sollte aber nicht zu einer pauschalen Gutheißung dieses Prozesses führen. Wir können nicht vergessen, dass wir diesen Prozess hier lediglich mit dem Kriterium bewerten, welche Mobilitätschancen und dadurch auch welche Internationalisierungsform er mit sich trägt. Andere Fragen (wie z.B. die Zulassungsbeschränkung bei den Masterstudiengängen oder die Modularisierung des Studienangebots) bleiben hier außen vor. Aber auch im Hinblick auf unsere Fragestellung ist die Einführung gestufter Studiengänge notwendige, keineswegs aber hinreichende Bedingung für eine erfolgreiche und sinnvolle Internationalisierung. Eine der Gefahren der Einführung der neuen Studiengänge ist, dass Internationalisierung Vereinheitlichung bedeuten könnte. So kann z.B. das Halten von Lehrveranstaltungen auf Englisch im Rahmen von Masterstudiengängen, die sich explizit an eine international zusammengesetzte Studierendenschaft werden, als ein Entgegenkommen gegenüber Incoming-Studierenden verstanden werden – dadurch wird aber oft die ernsthafte Integration dieser Studierenden in die einheimischen Hochschule sowie eine Auseinandersetzung mit der einheimischen Forschung nahezu unmöglich gemacht. Hier muss man nicht nur erstens klarstellen, welche Mobilität sinnvoll ist, sondern auch verdeutlichen, welche Leitbilder der Wissenschaft hinter der Internationalisierung stehen und zweitens, wem diese Internationalisierung dienen soll.

(7.1) Nun zur ersten Frage, welche Bilder die Wissenschaft die Internationalisierung leiten: Einerseits kann man von einem Bild der Wissenschaft als universelles, einheitliches Wissenskorpus, die überall gleich vermittelt werden kann, ausgehen: Theorien in der Wissenschaft erstreben selbstverständlicherweise nach Generalisierbarkeit und Unabhängigkeit des kulturellen Kontextes, wo sie entstanden sind. Folgt man diesem – übrigens sehr altmodischen und stark nuancierungsbedürftigen – Wissenschaftsbegriff, erscheint eine Internationalisierung des Studiums nur in folgender Hinsicht bedeutungsvoll: In einer solchen einheitlichen Wissenschaftslandschaft gibt es keinen Platz für eine horizontale Forschungsdifferenzierung, wo sich einzelne Institute auf bestimmte Themenfelder spezialisieren und sich bestimmte Universitäten durch eigenartige, fruchtbare Forschungsperspektiven auszeichnen, sondern nur für eine vertikale Hierarchisierung zwischen Elite und „Nachrenner“. Die Ströme der Internationalisierung bilden kein vielfältiges Netzwerk, sondern verlaufen einseitig in Richtung der vereinzelten „Leuchttürme“ im einheitlichen Ozean des Wissens: Internationalisierung findet nur in den (exzellenten) Wissenschaftszentren, nicht in der wissenschaftlichen Peripherie, statt. Der Kreis der internationalen Elite beschränkt sich auf wenige Studierende und NachwuchswissenschaftlerInnen (man kann übrigens mit Besorgnis beobachten, wie in der deutschen Hochschullandschaft ein solches (veraltetes) Bild durch die Exzellenzinitiative von Bund und Ländern, vor allem im Rahmen der Konkurrenz um eine Aufnahme in die dritte Förderlinie, eine hegemoniale Position einnimmt).

(7.2) Dieses Bild entspricht aber nicht den neuesten Entwicklungen eines Wissenschaftsbegriffes, der sich vielmehr durch die Betonung der Perspektivvielfalt in der Wissenschaft auszeichnet (und der vielmehr dazu in der Lage ist, den Entwicklungen der letzten Jahrzehnte in der Wissenschaftstheorie, die über die Ansichten des Kritischen Rationalismus hinausgingen, gegenüber gerecht zu sein). Eine horizontale Differenzierung ist dementsprechend bereichernd: Der Dialog der vielfältigen Absätze und Fragestellungen, die Vernetzung der Spezialisierungen muss begrüßt und gefördert werden, nicht die Entstehung einer einseitigen, in ihrer Perspektive eingeschränkten Elite. Die Internationalisierung des Studiums bedeutet hier dementsprechend nicht ein einseitiger Strom, der nur für wenige zulässig ist, sondern wird zum Prinzip eines Studiums, wo die Studierenden und NachwuchswissenschaftlerInnen dazu aufgefordert werden, ihre Forschungsinteressen zu entdecken und zu entwickeln und die Standorte zu erkunden, wo diese gepflegt werden. Ein internationaler Campus ist hier also nicht ein Multikulti-Park mit unterschiedlichen kulturellen Communities, wo überall die gleichen Inhalte rezipiert werden, sondern ein Ort der ernsthaften und tiefen Auseinandersetzung mit fremden Blicken: Eine international offene Hochschule vergrößert die Chancen zur Vernetzung, was wiederum den Dialog produktiver werden lässt. Diese Vernetzung sollte das Ziel jeder Initiative zur Internationalisierung des Studiums sein.

(8) Nun zur zweiten Frage, wem die Internationalisierung dienen soll. War das Ziel der Sokratesprogramme die Schaffung eins europäischen Bewusstseins bei den Austauschbeteiligten, hat der Bologna-Prozess eindeutig im Rahmen der Lissabon Strategie der EU für das Jahr 2010 seinen Auftrieb erhalten, die das Ziel hat, Europa zur dynamischesten und wettbewerbsfähigsten Region der Welt werden zu lassen. Dazu sollen die Flexibilität und Mobilität in der höheren Bildung gesteigert werden. Die Bildungsreform soll also nicht (nur) aus bildungsinternen Gründen, sondern (auch) im Hinblick auf deren zu erwartenden positiven Rückwirkungen für den wirtschaftlichen Sektor durchgeführt werden. Diese positive Rückwirkung auf die Wirtschaft ist zu begrüßen und bereichert den Internationalisierungsprozess, darf aber nicht Engführungen zur Konsequenz haben. Mit einer wirtschaftlich verwertbaren Bildung in den Hochschulen geht oft das erste der beiden oben geschilderten Wissenschaftsbilder (7.1) einher: Eine einheitliche Wissenschaft sei in der Lage, deutlich verwertbare Erkenntnisse zu produzieren; eine reichhaltige Perspektivvielfalt ist vielleicht kritischer, aber weniger dazu in der Lage, dies zu tun. Dementsprechend erhofft man sich vom Bologna-Prozess eine Internationalisierung, die es ermöglicht, die „exzellenten“ Orte dieser wissenschaftlichen Landschaft zu erkennen und daraus die Absolventen zu gewinnen. Der Rest, der von dieser Internationalisierung ausgeschlossen wird, wird zu einem „akademischen Proletariat“ und kämpft um die restlichen Arbeitsplätze. Überprüft man diese Überlegungen, wird man aber erkennen können, dass der Mechanismus viel komplexer ist: Eine horizontal differenzierte Wissenschaft ist nicht nur aus dem Grund, dass sie stärker dazu in der Lage ist, einen fruchtbaren Forschungsdialog zu entwickeln, überlegener, sondern auch aus der wirtschaftlichen Perspektive: Kurzfristig kann eine vereinheitlichte Wissenschaft deutliche Gewinne produzieren, mittel- und langfristig ist aber die zweite Struktur besser dazu in der Lage, nicht nur kritische und mündige Bürger zu bilden, sondern auch produktive Perspektivverschiebungen zu bewirken, die dann zu neuen Technologien und Erkenntnisse führen können.

(9) Die Vorstellung einer nicht vertikal sondern horizontal ausdifferenzierten und international vernetzten Hochschul- und Forschungslandschaft stellt das Ziel einer einheitlichen europäischen Hochschule massiv infrage. Zwar ist dieses Ziel im Bolognaprozess ausdrücklich nicht enthalten und sogar unerwünscht, aber andere Entwicklungen scheinen auf eine solche Vereinheitlichung hinzuweisen. So nimmt z.B. der Wunsch nach Angleichung an das amerikanische bzw. angelsächsische Hochschulmodell in vielen Diskussionen eine hegemonische Position ein und lässt ernsthaftere und durchdachtere Zukunftsmodelle zugunsten einer nicht realisierbaren – und größenteils auch nicht wünschbaren – Vorstellung in den Hintergrund treten. Statt eine solche Homogenisierung zu befürworten, lässt sich aus dem vorgeschlagenen wünschbaren Wissenschaftsbild eine Schätzung der europäischen Vielfalt ableiten. Gerade um diese Vielfalt zu nutzen sollte man die Internationalisierung vorantreiben; sie als eine Barriere einer solchen Internationalisierung zu betrachten, ist völlig verfehlt.

Daraus lassen sich auch Schlüsse für das deutsche Universitätssystem ziehen. Dieses System, dessen Prinzipien auf eine Zeit zurückgehen, wo der Hochschulbesuch einer kleinen bildungsbürgerlichen Minderheit vorenthalten war, ist zwar oft gepriesen worden, ist aber nach dem Bildungsboom der 1960er und 1970er Jahren nicht ohne die immer noch ausstehenden Reformen haltbar. Daraus zieht man oft den vorschnellen Schluss, man solle sich an anderen (angelsächsischen) Modellen bei der Reform orientieren. Stattdessen sollte man aber eher eine interne Reform durchführen, die die Prinzipien der deutschen Hochschule (Einheit von Lehre und Forschung, interaktives Seminar als Kernveranstaltung) für die heutigen Bedingungen fruchtbar macht. Diese Prinzipien sind nicht veraltet, sondern unter den heutigen Bedingungen schlecht durchführbar. Deren Realisierung würde aber die deutschen Hochschulen zu einem noch attraktiveren Ort im internationalen Vergleich machen. Zu der ausgebliebenen Reform hätte die Umsetzung der neuen Studiengänge eine Chance dargestellt, die teilweise verpasst worden ist. Über diese Einführung neuer Studiengänge hinaus sollte man sich aber auch über die bestehenden Kapazitäten der Hochschulen und deren Ausbaubedürfnis Gedanken machen. Statt sich die Frage der Kapazitäten (und vor allem nach deren unbequemen Kosten) zu stellen, weicht man in der Hochschulpolitik aus und verspricht man sich eine Lösung aller Probleme, sobald der angelsächsische Standard erreicht worden ist.

(10) Somit sind einige der Richtungen skizziert, denen eine sinnvolle und produktive Internationalisierung folgen sollte. Damit soll es möglich werden, die Internationalisierung des Studiums als eine Form der persönlichen Weiterentwicklung und wissenschaftlichen Bereicherung voranzutreiben. Allerdings bleiben immer noch einige konkrete Probleme praktischer Natur offen, die sich stellen, wenn man die internationale Mobilität von Studierenden und NachwuchswissenschaftlerInnen fördern möchte:

- Aus den obigen Ausführungen zu den Formen der Mobilität (2.1 und 2.2) kann man ableiten, dass die bisherigen Ressourcen, die die Mobilität der Studierenden und NachwuchswissenschaftlerInnen ermöglichen (Stipendien und Unterstützungsprogramme wie Erasmus) umorientiert werden müssten: Nicht so sehr zeitlich begrenzte Auslandsaufenthalte, sondern vielmehr das Streben nach einem Abschluss im Ausland (Bachelor oder Master) sollte unterstützt werden.

- Die Zugangsregelungen müssen mit dem europäischen Horizont als Hintergrund gestaltet werden. Derzeit geben die nationalen Rahmenbedingungen vor, wie die Zulassungsvoraussetzungen festgelegt werden. Darüber hinaus wird eine „Ausländerquote“ eingeräumt. Stattdessen sollte man vielmehr europäische Mechanismen entwickeln, um die Leistungen landesübergreifend vergleichbar zu machen und die Orientierung der Zulassungsvoraussetzung an diesen Maßstäben zu ermöglichen (was zum Beispiel zum Teil im Bereich des europäischen Referenzrahmens bei den geforderten Sprachkenntnissen schon geschieht).

- Die Möglichkeit, ein Auslandsstudium zu absolvieren, besteht derzeit nur für einen Kreis der Studierenden, nicht aber für alle. Damit möglichst viele Studierende an dieser Internationalisierung teilnehmen können sollte man möglichst früh ansetzen, dies heißt: In der Schule. Die Sprachkenntnisse sollten gefördert werden und die Informationsstellen zum Studium in anderen europäischen Ländern sollten für SchülerInnen einfach zugänglich sein; so wie die Bewerbungsmodalitäten aus dem Ausland einfach gestaltet. Ziel dieses frühen Ansetzens in der Schule sollte sein, dass sich die Frage nach einem Auslandstudium nicht erst mit Beginn des Masters, sondern schon bei der Auswahl des Bachelorstudienganges gestellt werden kann.

- Des Weiteren sollte die Entwicklung von länderübergreifenden Studiengängen gefördert werden. Somit wird die Attraktivität eines internationalisierten Studienganges gesteigert. Beispiele dafür sind Bachelorstudiengänge, die im Rahmen der Einführung der gestuften Studiengänge entwickelt wurden und die vorsehen, dass die ersten Semester an einer Hochschule und die letzten an einer Partneruniversität absolviert werden.

- Um die Mobilität zu steigern, wären auch ein gesamteuropäisches Programm zur Unterstützung von finanzschwachen Studierenden (ein europäisches BAFöG) und auch ein gesamteuropäisches Stipendiensystem sehr hilfreich. Oft wird die Mobilität dadurch verhindert, dass die ökonomischen und sozialen Studienbedingungen in unterschiedlichen Ländern sehr stark voneinander differieren – dieses Problem sollte gemindert werden. Gerade in diesem Punkt könnte das deutsche Modell ein diskussionswürdiges Beispiel darstellen.

D) Ist Bologna alles? Ein Blick darüber hinaus

(11) Man hat in diesen Thesen einige der Wege skizziert, die man gehen sollte, um eine sinnvolle Internationalisierung voranzutreiben. Dabei wurde oft auf den wichtigsten Prozess der Grenzüberschreitung, die derzeit die deutschen Universitäten durchleben, nämlich den Bologna-Prozess, zurückgegriffen und gefragt, inwieweit er eine sinnvolle Entwicklung darstellt. Allerdings darf man Internationalisierung mit Europäisierung nicht vertauschen. Sicherlich würden wir falsch liegen, wenn der letzte Horizont unserer Überlegungen der Bologna-Prozess wäre. Wir laufen in der Diskussion Gefahr, Europa mit der Welt zu verwechseln und dadurch in eurozentrische Begrenzungen zu verfallen. Somit würde eine innereuropäisch hochgradig vernetzte Hochschullandschaft entstehen, die aber nach außen wenig dialogfähig wäre – die oft angesprochene Festung Europas wäre auch eine Festung der Bildung. Im Gegensatz dazu muss man auch Mobilität über die Grenzen des Kontinentes hinweg ermöglichen. Zunächst sollte der Austausch mit der Nachbarschaft ein reger sein (hier bilden die euromediterranen Kooperationsprogramme auf Studien- und Forschungsebene ein sehr gutes Beispiel). Und darüber hinaus sollte man auch die bestehenden Instrumente, um Studierenden aus armen Ländern ein Studium im Kontinent zu ermöglichen, verbessern und neue entwickeln (die Kosten eines Studienplatzes, der von einer/m Studierenden aus der Dritten Welt belegt werden, kann man nicht ohne Recht als Offizielle Entwicklungshilfe bei dem Development Aid Committee der OECD anrechnen lassen: Bildung ist ein zentraler Entwicklungsfaktor).

Es besteht kein Grund, warum die Grenzen einer oben skizzierten, horizontal differenzierten Wissenschaft, die international vernetzt ist, mit den Grenzen des Kontinentes zusammenfallen müssen. Vielmehr spricht vieles dafür, dass dies nicht so sein soll.

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